Das Regenwaldkomplott by Heinz G. Konsalik

Das Regenwaldkomplott by Heinz G. Konsalik

Autor:Heinz G. Konsalik [Konsalik, Heinz G.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-03T04:00:00+00:00


Es ging um Landreformen größten Stils, die schon 1973 in Angriff genommen wurden und jetzt einem Höhepunkt zusteuerten. Die INCRA, das Nationale Institut für Besiedlung und Agrarreform, hatte damals in allen Zeitschriften und in Sonderdrucken verkündet: »Brasilien macht die größte Agrarreform der Welt.« Es war ein Aufruf an alle, die Siedler im Amazonasgebiet werden wollten, die aus dem täglichen Hunger herauswollten und ihr eigenes Land bebauen wollten. Zu Hunderttausenden strömten sie in das riesige Amazonasbecken, bauten Straßen, rodeten den Dschungel, konstruierten Brücken über die vielen Flußläufe und bekamen dafür ihr Stück eigenes Land.

Die Verteilung der Regenwaldgebiete, die offiziell ›Leerräume‹ genannt wurden, obwohl verschiedene Indianerstämme darin lebten, fand im Innenministerium am Zeichentisch statt und ohne Rücksicht darauf, ob das verteilte Land überhaupt nutzbar war. Man scherte sich nicht darum, ob es Felsen gab, Abhänge, Sümpfe zwischen kleinen Urwaldflüssen oder verschlungene Flußläufe. Es wurde einfach vermessen und dann den Siedlern zugeteilt: Ein Grundstück für einen Kleinsiedler hatte die Größe von 250 x 1.000 Metern zu haben oder 500 x 2.000 oder – bei kinderreichen Familien – sogar 500 x 4.000 Meter. Ein jeder Kleinsiedler bekam das Recht, ›Verbesserungen‹ vorzunehmen. Verbesserungen – das war ein harmloses Wort für das Abholzen des Regenwaldes.

So wurden schon in den Anfangsjahren der ›Nutzung der Leerräume‹ Tausende Hektar Regenwald von den ›wilden‹ Siedlern abgeholzt oder niedergebrannt.

Unweigerlich kam es damit zu Begegnungen mit den Indianerstämmen. Die neuen Siedler, die immer weiter in den Dschungel eindrangen, ließen sich auf keine großen Diskussionen ein. Wo man Indios antraf, wurden sie kaltblütig ausgerottet oder noch tiefer in den Regenwald getrieben, nur um früher oder später auf andere Kolonisten zu stoßen, die auch nur eines kannten: Vernichtung.

Und es gab eine zweite Möglichkeit zur ›Verbesserung‹, wenn die Siedler einen kargen Boden zugewiesen bekamen, von dem sie kaum leben konnten: Sie verkauften ihre Parzelle an die immer bereitstehenden Großgrundbesitzer und zogen dann weiter in das unerschlossene Land, jetzt nicht mehr Bauern von INCRA-Gnaden, sondern selbst Glücksritter, die niemand mehr kontrollierte.

In Brasilia arbeitete man unterdessen an zwei neuen Entwicklungsprogrammen, um die Erschließung der ›Leerräume‹ zu steuern, an den Programmen Polamazônia und Polonoroeste. In sieben Bundesstaaten und zwei Bundesterritorien, zu denen auch Roraima gehörte, wurden zehn Entwicklungszentren gegründet. Sie bestanden aus 125 Gemeinden und 1.462 Projekten. Mit staatlichen Investitionsmitteln wurden gebaut: 4.500 Kilometer Straßen, 12 Flughäfen, 4 Flußhäfen und eine Reihe von Wasserwerken.

Der Abbau der Bodenschätze, die Rodung des Waldes, die man Gewinnung von Rohstoff nannte, brauchten Arbeitskräfte, eine neue Generation von Muskelkraft. Und so strömten in die ›erschlossenen Gebiete‹ unaufhörlich Menschenmassen, eine Invasion und Umsiedlungskampagne nie gesehenen Ausmaßes: Lebten im Amazonasgebiet 1960 nur 2,6 Millionen Menschen, so war die Zahl bis zum Jahre 1980 auf 11 Millionen Einwohner gestiegen. Und je mehr Weiße in den Regenwald strömten, um so mehr Indianer wurden ausgerottet: erschossen, vernichtet durch die eingeschleppten Infektionskrankheiten, die sich in Epidemien ausbreiteten wie Masern, Malaria, Tuberkulose, Typhus und Geschlechtskrankheiten. Der Kontakt mit den ›zivilisierten‹ neuen Herren reduzierte in wenigen Jahren einige Indiostämme bis zu 90 Prozent.

In dem Maße, wie die Kleinsiedler immer ärmer wurden



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